17. Januar 2022
17. Januar 2022
Das Amtsgericht Augsburg (Urteil vom 30.09.2021 – 31 C 2231/20) musste sich mit der Frage befassen, ob die auf einer Ein-Mann-Versammlung gefassten Beschlüsse nur anfechtbar oder sogar nichtig sind. In dem Einladungsschreiben hatte der Verwalter im Hinblick auf die Corona-Pandemie darauf hingewiesen, dass kein Eigentümer persönlich erscheinen dürfe. Das Amtsgericht Augsburg stellt klar, dass eine solche Form der Einladung (es handelt sich um eine „Ausladung“) die Wohnungseigentümer im Kernbereich ihrer Rechte, nämlich dem Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung und Ausübung ihres Stimmrechts, verletze. Ein solcher Verstoß führt nach Auffassung des Gerichts aber nicht zu einer Nichtigkeit, sondern nur zu einer Anfechtbarkeit der Beschlüsse.
Dem berechtigten Anliegen der Eigentümer auf angemessene Selbstverwaltung trotz Corona-Pandemie auf der einen Seite und dem berechtigten Anliegen einzelner Wohnungseigentümer, dass Mehrheitsbeschlüsse nur nach ordnungsgemäßer Durchführung einer Eigentümerversammlung mit entsprechenden Diskussions- und Abstimmungsmöglichkeiten wirksam gefasst werden können, wird nur dadurch Rechnung getragen, dass die Beschlüsse einer Ein-Mann-Versammlung nicht als nichtig angesehen werden können, sondern nur als anfechtbar.
Denn wenn alle Eigentümer mit dem Ergebnis einverstanden sind und kein Eigentümer die Beschlüsse anficht, besteht auch kein Grund, warum die gefassten Beschlüsse nicht in Bestandskraft erwachsen sollten. Im Falle einer Anfechtung seien die Beschlüsse allerdings „selbstverständlich“ für ungültig zu erklären.
Praxishinweis
Mit dogmatischen Begründungen gehen viele Entscheidungen von einer Nichtigkeit der Beschlüsse aus, wenn die Einladung zu einer Eigentümerversammlung als „Ausladung“ verstanden werden könne (vgl. AG Ludwigshafen, Beschluss vom 16.03.2021 – 2p C 37/21 -; AG Lemgo, Urteil vom 24.08.2020 – 16 C 10/20 -).
Nach anderer Auffassung handelt es sich im Ergebnis um einen Einberufungsmangel bzw. Verstoß gegen die Teilnahmerechte, welcher lediglich zu einer Anfechtbarkeit führt (vgl. LG Frankfurt a.M., Urteil vom 17.12.2020 – 2-13 S 108/20 Rn. 10 -; Häublein ZfIR 2020, 787, 789).
Wir halten die zuletzt genannten Auffassungen und die Entscheidung des AG Augsburg für zutreffend. Jeder Wohnungseigentümer, der seine Rechte beeinträchtigt sieht, kann und muss die fristgebundene Anfechtungsklage erheben. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist müssen sämtliche Beteiligte Rechtssicherheit haben.
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