14. Juli 2022

14. Juli 2022

Über die Frage von ordnungsmäßigem Zeitpunkt und zulässiger Dauer einer Wohnungseigentümerversammlung kann man sich intensiv streiten. In einem aktuellen Urteil hat das AG Oldenburg in Holstein (Urteil vom 13.06.2022 – 16 C 32/21) für eine der größten WEGs in Deutschland entschieden, dass auch eine Versammlungsdauer von mehr als 9 Stunden zulässig sein kann.

Was war passiert?

In einer Ferienwohnungseigentumsanlage mit 1700 Einheiten hatte der Verwalter zu einer Eigentümerversammlung an einem Samstag um 10:45 Uhr im September 2021 eingeladen. In der Einladung war als voraussichtliches Ende 17:00 Uhr angegeben. In 2020 hatte coronabedingt keine Versammlung stattgefunden. Die TO umfasste eine Vielzahl von TOPs (u.a. Verwalterbestellung, E-Ladestationen, Wärmecontracting). Der Verwalter hatte die Kongresshalle in Lübeck bis zunächst 18:00 Uhr angemietet. Es gab eine Pause und Leerlaufzeiten (insbesondere bei der Verwalterwahl). Gegen den Vorschlag des Verwalters zur Verlängerung der Anmietung der Kongresshalle bis 20:00 Uhr gab es keine Einwendungen. Die Versammlung dauerte mehr als 9 Stunden und endete um 20:20 Uhr. Im Rahmen des Beschlussanfechtungsverfahrens stützt die Klägerin ihre Klage im Wesentlichen auf die aus Ihrer Sicht zu lange Versammlungsdauer.

Für die zulässige Versammlungsdauer kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an

Das Amtsgericht weist die Anfechtungsklage ab. Es gebe für die zulässige Dauer einer Eigentümerversammlung keine gesetzliche Regelung, sodass maßgeblich die besonderen Umstände des Einzelfalles seien. Hier sei zu berücksichtigen, dass es sich um eine sehr große Gemeinschaft handele, coronabedingt im Vorjahr eine Versammlung nicht abgehalten werden konnte und aus diesem Grund die TO recht umfangreich gewesen sei. Um während der Corona-Pandemie eine sichere Versammlung zu gewährleisten, habe eine ausreichend große Räumlichkeit angemietet werden müssen. Bei einer Aufteilung der Versammlung auf zwei Termine wären erhebliche zusätzliche Kosten angefallen. Die Versammlung habe an einem Samstag im Verlauf des Tages und frühen Abend stattgefunden. Es habe ausreichend Pausen bzw. Leerlaufzeiten gegeben.

Praxishinweis

Der Entscheidung des Amtsgerichts ist zuzustimmen. Die Höchstdauer einer Wohnungseigentümerversammlung ist gesetzlich nicht geregelt. Zwar gibt es (Einzelfall)Entscheidungen, wonach eine Eigentümerversammlung „im Regelfall“ nicht länger als 23 Uhr dauern soll (mit Rücksicht auf werktätige Wohnungseigentümer, sofern die Versammlung werktags stattfindet). Es wird auch die Auffassung vertreten, dass ein Beschluss formell fehlerhaft sein könnte, wenn er nach fast 7-stündiger Versammlungsdauer kurz vor Mitternacht gefasst wurde (AG Starnberg, Urteil vom 03.09.2010 – 3 C 785/10). Allerdings sind dies Einzelfallentscheidungen, die nicht verallgemeinert werden können. Tatsächlich kommt es für die Frage, welche Versammlungsdauer vertretbar erscheint auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Insbesondere sind zu beachten: Wochentag sowie Beginn und Ende der Versammlung, Größe der Wohnungseigentümergemeinschaft und Zahl der zu erwartenden Wohnungseigentümer, Umfang der Tagesordnung und einzelne Beschlussanträge, Verhalten der Wohnungseigentümer in der Versammlung, Pausen, Unterbrechungen bzw. „Leerlaufzeiten“ (z.B. bei der Festlegung des Prozederes bei der Wahl des Verwalters, verschiedene Wahlgänge, Auszählung der Stimmen).
Selbst wenn eine Versammlung unzulässig lange dauern sollte, führt dies nicht zu einer Anfechtbarkeit sämtlicher Beschlüsse, sondern nur hinsichtlich der Beschlüsse, die nach Überschreitung der Höchstdauer gefasst wurden.

Nach unserer Auffassung sollte der Verwalter nach einer Dauer von 5 Stunden von sich aus das Thema Versammlungsdauer ansprechen. Der Verwalter kann die Wohnungseigentümer auch zur Frage der Vertagung oder Fortführung der Versammlung befragen und einen (GO-) Beschluss initiieren oder sich durch Beschluss zur Vertagung oder Fortführung anweisen lassen.

Hinweis
Der Inhalt dieser Mitteilung stellt die fachliche Meinung des jeweiligen Autors dar. Wir bitten um Verständnis dafür, dass der Autor für die sachliche und juristische Richtigkeit der vertretenen Auffassung sowie der daraus ggf. abgeleiteten oder abzuleitenden Handlungsempfehlung keine Haftung übernimmt, insbesondere nicht dafür, dass diese von einem mit der Sache befassten oder noch zu befassenden Gericht geteilt werden. Wir empfehlen daher, insbesondere mit Blick auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls ggf. eigenen fachlichen oder rechtlichen Rat einzuholen.

 

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