17. Dezember 2020
17. Dezember 2020
Auch nach dem Lockdown wird uns die Corona-Pandemie weiter begleiten und es im Jahr 2021 kaum möglich machen, „normale Eigentümerversammlungen“ durchzuführen. Viele Verwalter haben gute Erfahrung mit der „Ein-Personen-Versammlung“ gemacht. Das – nicht rechtskräftige – Urteil eines Amtsgerichts hat allerdings zu erheblichen Irritationen und Unsicherheiten geführt, sodass wir uns auch vor dem Hintergrund des am 01.12.2020 in Kraft getretenen komplett neuen WEG-Rechts noch einmal mit der Durchführung von Eigentümerversammlungen befassen.
Covid-19-Verordnungen der einzelnen Länder beachten
Es versteht sich von selbst, dass der Verwalter bei der Abhaltung von Eigentümerversammlungen die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Bundeslands zu beachten hat. Hier ist der Link zu einer Übersicht der Verfügungen und Verordnungen von Bund und Ländern.
Ein-Personen-Versammlung
Viele Verwalter haben gute Erfahrungen mit der „Ein-Personen-Versammlung“ gemacht, an welcher neben dem Verwalter lediglich ein bevollmächtigter Wohnungseigentümer teil nimmt.
Zu Unsicherheiten und Unverständnis hat das Urteil des AG Kassel vom 27.08.2020 – 800 C 2563/20 geführt, in welchem das Gericht die Auffassung vertritt, dass die auf einer Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse nicht nur anfechtbar, sondern sogar nichtig sein sollen, wenn der Verwalter in der Einladung auf eine räumlich begrenzte Teilnehmerzahl hingewiesen und darum gebeten hat, „möglichst Vollmachten“ zu erteilen. Durch den Hinweis auf eine beschränkte Personenzahl sei „psychischer Zwang“ dergestalt auf einen Wohnungseigentümer ausgeübt worden, dass er durch die Einladung von der Wahrnehmung seiner Teilnahmerechte abgehalten werden konnte. Das Urteil kann unter keinen Gesichtspunkten überzeugen (vgl. die Anmerkung und berechtigte Kritik an dem Urteil von Häublein ZfIR 2020, 787, 789) und bleibt die Entscheidung der Berufungsinstanz abzuwarten.
Nach unserer Auffassung sollte sich der Verwalter nicht auf eine „Ein-Personen-Versammlung“ versteifen, sondern eine „Mehr-Personen-Versammlung“ planen, an welcher eine möglichst geringe Zahl von Wohnungseigentümern teil nimmt und sich die Zahl der teilnehmenden Wohnungseigentümer an den Vorgaben der jeweiligen Verordnungen der einzelnen Länder sowie den räumlichen Gegebenheiten des Versammlungsorts orientiert.
Um sich nicht dem Vorwurf eines angeblich psychischen Zwangs ausgesetzt zu sehen, sollte der Verwalter nach unserer Auffassung – bis das veröffentlichte Berufungsurteil des Landgerichts vorliegt – ganz normal zu einer Präsenzversammlung einladen – und zwar ohne Hinweis auf eine höchstmögliche Teilnehmerzahl – und an die Eigentümer appellieren, möglichst von der Vollmachtserteilung Gebrauch zu machen. Erscheinen dann zu einer Eigentümerversammlung unter Beachtung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben und Kapazitäten des Versammlungsraums „zu viele“ Wohnungseigentümer, führt der Verwalter die Versammlung schlicht und einfach nicht durch. Er lädt dann zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu einer Eigentümerversammlung ein.
Die rein virtuelle- bzw. Online-Versammlung
Die rein virtuelle Eigentümerversammlung oder reine Online-Versammlung ist auch nach der WEG-Reform unzulässig. Es muss weiterhin eine Präsenzversammlung stattfinden, die es einem interessierten Wohnungseigentümer ermöglicht, persönlich an der Versammlung teilnehmen zu können. Sofern allerdings zu einer solchen Präsenzversammlung kein Wohnungseigentümer erscheint, sondern online teil nimmt und lediglich der Verwalter in dem Versammlungsraum vor seinem Computer sitzt, handelt es sich um eine zulässige, vom Ergebnis her faktische, Online-Versammlung.
Online-Teilnahme bzw. Hybrid-Versammlung
Durch den neuen § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass Wohnungseigentümer online an einer Präsenzeigentümerversammlung teilnehmen können. Es ist allerdings zu beachten, dass eine solche Online-Teilnahme immer einen vorherigen Gestattungsbeschluss voraussetzt, welcher die Online-Teilnahme bzw. virtuelle Kommunikation überhaupt erst ermöglicht. Durch Beschluss kann und muss geregelt werden, welche Eigentümerrechte (Teilnahmerecht, Rederecht, Stimmrecht) ganz oder teilweise auf elektronischem Wege ausgeübt werden können. Der Beschluss muss also die konkrete Ausgestaltung der Teilnahme regeln. Idealer Weise wird die Anschaffung und Verwendung einer Konferenzsoftware (z. B. zoom, Webex, Teams etc.) beschlossen.
Umlaufbeschluss
Die Beschlussfassung kann auch im Umlaufverfahren gemäß § 23 Abs. 3 WEG erfolgen. Nach der Erfahrung vieler Verwalter ist auch der Umlaufbeschluss in Corona-Zeiten ein erfolgreiches Instrument der Willensbildung. Insoweit ist zu beachten, dass auch nach der WEG-Reform ein Beschluss im Umlaufverfahren nur dann gültig ist, wenn „alle Wohnungseigentümer“ ihre Zustimmung erteilt haben, wobei zukünftig nicht mehr die Schriftform erforderlich ist, sondern die Textform genügt. Allerdings hat der Gesetzgeber den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz dahingehend eingeräumt, dass sie nur für den konkreten Einzelfall im Umlaufverfahren eine Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit herbeiführen können. Konkret bedeutet dies, dass es für jeden Beschlussgegenstand immer erst einer Beschlussfassung dahingehend bedarf, dass für die anschließende Beschlussfassung im Umlaufverfahren die einfache Mehrheit genügen soll. Vor diesem Hintergrund ist es nicht möglich, beispielsweise einmalig zu beschließen, dass zukünftig für Beschlüsse im Umlaufverfahren die einfache Mehrheit genügen soll; ein solcher Beschluss dürfte nichtig sein oder wäre zumindest anfechtbar.
Zum alten Recht war umstritten, ob ein im Umlaufverfahren gefasster Beschluss, der die notwendige Allstimmigkeit nicht erreicht hat, vom Verwalter dennoch als angenommen verkündet wurde, nichtig oder nur anfechtbar war, nach Ablauf der Anfechtungsfrist also in Bestandskraft erwachsen konnte. Im Hinblick darauf, dass die Wohnungseigentümer zukünftig hinsichtlich des Allstimmigkeitserfordernisses grundsätzlich eine Beschlusskompetenz haben, sind nach unserer Auffassung zukünftig Beschlüsse auch ohne Vorliegen einer notwenigen Allstimmigkeit nicht mehr nichtig, sondern nur noch anfechtbar (ebenso Lehmann-Richter, Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 650; Hügel/Elzer, WEG, 3. Auflage 2021, § 23 Rn. 103; vgl. auch Dötsch, Schultzky, Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 8 Rn. 39).